Auf geht’s, Volk der Künstler

Freitag . KUNST & KREATIVITÄT
Auch wenn wir hier in Damanhur Optimismus als spirituellen Wert so sehr schätzen, dass er sogar in unsere Verfassung aufgenommen wurde und ich selbst bei jeder Gelegenheit die Fahne des Optimismus hochhalte, fällt es mir angesichts der Geschehnisse der letzten Wochen in der Welt schwer zu spüren und zu glauben, dass wir als Menschheit in Richtung Vereinigung und Weltfrieden wachsen. Ich betrachte die politische Situation in meinem Geburtsland USA und spüre die Wut und Zerrissenheit, die viele Amerikaner leben. Ich beobachte die Bewegung der Indianer in Nord-Dakota, um die heilige Erde und die heiligen Gewässer des Standing Rock zu schützen und wie diese einerseits große Unterstützung finden, andererseits von großen Geldinteressen bekämpft werden, und zu wissen, dass es noch unsicher ist, wie das Ganze ausgehen wird. Ich habe gesehen, dass viele junge Leute bei einem Event im Ghost Ship, einem Raum in Oakland, Kalifornien, der viel von Künstlern besucht wird, bei einem Feuer umgekommen sind. Vor 10 Jahren, als ich dort ein ähnliches Leben gelebt habe, ganz der Kreativität gewidmet, war ich auch oft in dieser Gegend. Keiner dieser Künstler wäre bei einem Feuer ums Leben gekommen, wenn auch nur ein kleiner Bruchteil der Gelder, die in die Kriege und das Öl fließen, den Künstlern zugedacht worden wäre. Diese Menschen erhalten mit großer Entschlossenheit Räume, die der Schönheit und der Freiheit gewidmet sind, obwohl die Mieten ständig steigen
und das Risiko der Räumungsklage immer präsent ist. All dies stimmt mich nachdenklich, ich frage mich, ob wir Anlass haben, irgendeine Hoffnung für uns als Menschheit zu hegen, ob das, was wir in Damanhur machen, wirklich den Unterschied ausmachen kann oder ob das alles vergeblich ist.
Mit diesem Wirrwarr an beunruhigenden Gedanken im Kopf erinnere ich mich, dass ich heute Abend auch noch die Energie aufbringen muss, um zu einer Probe zu gehen, um ein Konzert mit Tänzen, das den spirituellen Völkern der Welt gewidmet ist, aufführungsreif einzuüben, da wir es bald in den Tempeln der Menschheit präsentieren werden. Aber dann überwinde ich meine Trägheit, raffe mich auf und finde die Kraft, um zusammen mit den anderen zu singen und zu tanzen, und ich lasse mich gehen, drücke mich aus. Im gemeinsamen Lachen und Wertschätzen der Naturvölker der Erde, indem wir ihre Schönheit und der ihnen eigenen Sensibilität nachspüren, in diesem ständigen Schaffen von Kunst, das in Damanhur seit 40 Jahren pausenlos sprudelt, …finde ich eine Antwort.
Kunst ist das Gegenmittel des Schattens, der uns umgibt und ab und zu in uns dringt. Dank der Kunst bin ich bis heute lebendig und hier und schreibe diesen Artikel. Kunst ist ein wichtiger revolutionärer Akt, wenn man eine Petition unterschreibt, an einer friedlichen Protestaktion teilnimmt, zum Wählen geht, Forderungen der Bevölkerung unterstützt und Bewegungen für die soziale und politische Veränderung organisiert.
Wenn Kunst alles durchdringt, was wir tagtäglich mit reinem Herzen und mit ausgerichteten Gedanken tun, verändert sich die Richtung der Ereignisse und des Planeten, das geht gar nicht anders.
Auf geht‘, Künstlervolk!
Die Befana
Quaglia Cocco