Acht Persönlichkeiten, und alle in mir!

SPIRITUALITÄT IN DAMANHUR
Ich selbst zu sein, war von klein auf für mich schon immer kompliziert. An einem Tag fühlte ich mich romantisch und feminin, an einem anderen verabscheute ich jedes Gehabe und warf alles Rosafarbene aus meinem Kleiderschrank weg (damit will ich nicht sagen, dass feminin sein bedeutet, sich rosa anzuziehen, aber als ich sieben Jahre alt war, war ich fest davon überzeugt). Einerseits lehnte ich Gewalttätigkeit ab, andererseits verhaute ich die Mobber, die fast immer Jungs waren. In der Jugendzeit nahm die Konfusion noch zu. Ich verliebte mich in mehrere Jungen gleichzeitig und wechselte oft meine Meinung. Die Konsequenzen waren oft ziemlich peinlich, … wie auch immer, ich war ein echtes Schlamassel.
Als ich in Damanhur landete, hat die kreative Disziplin, die das Gemeinschaftsleben ausmacht, meiner Seele sehr gut getan. In dieser stimulierenden und gleichzeitig doch geordneten Atmosphäre, konnten alle meine Anteile erstmal tief durchatmen. Ich war dankbar für dieses Gefühl des inneren Friedens, das ich endlich erleben konnte, aber die große Erlösung kam, als uns Falco Tarassaco zum ersten Mal von der Theorie der Persönlichkeiten erzählt hat.
„Stellt euch vor, dass in eurem Inneren eine relativ kleine Gemeinschaft lebt, die aus Individuen zusammengesetzt ist, die äußerst verschieden voneinander sind. Jeder will seine Meinung sagen und die Segel des Schiffes halten, um den eigenen Kurs durchzusetzen. Aber diese Teile bleiben einfach nicht lange genug am Ruder, um unserem Sein ein Gefühl der Kontinuität zu geben.
So kommt es also, dass wir uns zwischen den Extremen hin- und gerissen fühlen, bis dann vielleicht eine unserer Persönlichkeiten eine dominante Rolle übernimmt, sich durchsetzt und mit Entschlossenheit die Führung übernimmt. Wenn es dazu kommt, dann verändern sich die Probleme nur: In diesem Fall ist es zum Beispiel leicht möglich, sich frustriert zu fühlen, weil einige Anteile sich nicht mehr ausdrücken können. Die dominierende Persönlichkeit tendiert nämlich dazu, den anderen immer ihre Präsenz aufzuzwingen, ohne jemals Raum für andere Stimmen zu lassen, wodurch die anderen sich unterdrückt und erstickt fühlen.
Es kann zum Beispiel vorkommen, dass eine Person mit ausgeprägt despotischem und arrogantem Charakter unter bestimmten Umständen plötzlich zu weinen beginnt und sich darüber beklagt, dass sie nicht genug beachtet, geschätzt und geliebt wird… Diese Person ist weder verrückt geworden noch von plötzlicher Schizophrenie befallen. Es ist einfach damit zu erklären, dass eine kindliche Persönlichkeit, die still und leise ihr Dasein fristete, es endlich geschafft hat, an die Oberfläche zu kommen, und da sie sonst nie den Raum hat, ihre Bedürfnisse auszudrücken, fordert sie ihren Wunsch nach Liebe und Aufmerksamkeit so ein, wie es Kinder eben tun…”
Die Idee, nicht mehr nur ein undeutliches “Ich” voller Wiedersprüche zu sein, sondern das Miteinander komplexer Persönlichkeiten, jede mit ihrer ausgeprägten Individualität, ihren Leidenschaften und Abneigungen, gab mir endlich die Erklärung, weshalb ich mich immer so zwischen oft unvereinbarenden Gegensätzen hin- und hergerissen gefühlt hatte! Als ich begann meine inneren Regungen aufmerksam zu beobachten, wurde mir klar, dass sehr verschiedenartige Charaktere in mir lebten, die in verschiedenen Momenten und Zusammenhängen in den Vordergrund traten. Die Situation wurde schwierig, wenn die Persönlichkeiten zufällig auf die Bühne des Lebens traten, ohne einen Dirigenten, der sie im richtigen Moment dazu aufforderte, bewusst in Szene zu treten…
Der Kurs der Inneren Persönlichkeiten war der nächste Schritt, um meine Persönlichkeiten identifizieren zu können, in Dialog mit ihnen zu kommen und mit jeder einzelnen in Kontakt zu treten. Das war eines der kraftvollsten Werkzeuge, mich zu transformieren und mich von jahrelang angehäuftem Unbehagen zu befreien. In der Vergangenheit litt ich zum Beispiel unter einer verheerenden Eifersucht, aber als ich dann verstanden hatte, dass nur eine meiner Persönlichkeiten eifersüchtig war, und es genügte, ihr in anderen Kontexten, die meine affektiven Beziehungen nicht beeinträchtigten, Ausdruck zu verschaffen, war es mir möglich, mich von dieser beißenden Eifersucht, die mich schon immer gequält hatte, zu befreien.
Mit Hilfe der im Kurs erlernten Technik des Zuhörens und des Dialogs mit jedem meiner Anteile, habe ich Gewohnheiten und repetitive Verhaltensmuster verändert und ein neues inneres Gleichgewicht geschaffen.
Ein neues reiferes Ich wurde geboren, das mein Leben jetzt mit viel mehr Sinn für Humor und Intelligenz führt. Es ist eine Art positiver Leader, im Dienst aller Komponenten meiner inneren Gemeinschaft: Es ist fähig, allen zuzuhören, alle wertzuschätzen, und als Ausgleich erwartet es Respekt, was den geordneten Szenenauftritt angeht. So können alle in den geeigneten Kontexten ihr Bestes geben, ohne in die Bereiche, die anderen zugeordnet sind, einzugreifen.
Wenn ihr mich fragt, ob das immer funktioniert, kann ich es nur bejahen. Es funktioniert immer dann, wenn ich aufmerksam bin und mich meinem inneren Dialog öffne. Aber wenn ich mich von meiner Faulheit und meinen Gewohnheiten überwältigen lasse und die mir eigene Macht nicht nutze, dann gelingt es nicht…
Also, hier die Lektion an die es sich zu erinnern gilt, um besser zu leben: sich nie der Faulheit hinzugeben, und sich jeden Tag erneut zu verpflichten, das Leben in die eigene Hand zu nehmen 😉 !