Der Unterschied zwischen Religion und Philosophie

SPIRITUALITÄT IN DAMANHUR
Immer wieder kommt es vor, dass wissbegierige und aufmerksame Besucher uns die Frage stellen: „Wenn Damanhur in einer anderen Zeit an einem anderen Ort als im Italien der siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden wäre, würde es sich dann auch als philosophische Lebensschule und nicht als Religion verstehen?“
Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass die Präsenz des Vatikans und der in jenen Jahren starke Einfluss der katholischen Kirche in politischen und sozialen Bereichen es nötig machten, sich als etwas darzustellen, dass sich grundsätzlich von der Religion unterscheidet, die von vielen – auch im katholischen Umfeld – als eine vorherrschende und konditionierende Präsenz empfunden wurde.
Die Freunde, die uns diese Frage stellen, gehen von der These aus, dass Falco, der Gründer Damanhurs, und seine ersten Weggefährten, sich aus diesem Grund von jeder Art von Religion distanziert hätten. Wir antworten darauf, dass es immer eine Frage der Begriffsbestimmung ist.
Was sagen die Wissenschaftler?
Sozialwissenschaftler und Anthropologen neigen dazu, Damanhur in den Bereich der „neuen Religionen” einzuordnen, da diese ein Modell der Verbindung zwischen der irdischen und überirdischen Dimension anbieten. Für uns ist diese Definition weniger befriedigend, für die Wissenschaftler ist sie offensichtlich zweckmäßig. Wenn wir darüber nachdenken, was eine Religion ist, fühlen wir uns als etwas anderes. Die Damanhurianer respektieren grundlegend alle spirituellen Bewegungen, das heißt auch alle Religionen, die in vielen Fällen Möglichkeiten sind, um über die tieferen Werte des Lebens und unserer Beziehung mit dem Universum nachzudenken.
Was ist eine Religion?
Es ist eine Art Lehre, die erklärt, wie das Universum entstanden ist und wie es darin aussieht, von welchen göttlichen Formen es bewohnt wird und wie Leben und Tod erklärt werden können. Religion lehrt uns vor allem, wie wir bei den göttlichen Formen, von denen sie spricht, willkommen sind, um das eigene Leben tugendhaft ausrichten zu können und uns die Rettung – Verwirklichung – das perfekte Glück unserer Seele zu verdienen.
Die Gläubigen einer Religion sind aufgefordert, sich einer bestimmten Disziplin anzupassen, um sich Zugang zu den Mysterien der Existenz zu verschaffen. Dabei kann es um einen einzigen transzendenten Gott gehen oder um mehrere Gottheiten, die als Lebensform präsent sind. Mit anderen Worten, die Religion fordert den Gläubigen auf, einen vorgezeichneten Weg zu gehen.
Was wählen die Damanhurianer?
Im Gegensatz dazu sind die Damanhurianer spirituelle Forscher mit dem Wunsch, einen neuen Weg zu schaffen, anstatt einen bereits vorgezeichneten zu gehen. Falcos Lehre hat einige wichtige Eckpfeiler in Bezug auf die Existenz eines göttlichen Ökosystems, das mit den menschlichen Völkern und jeder einzelnen Person in Wechselwirkung tritt, gelegt, aber vor allem lenkt sie die Aufmerksamkeit des Weges eines jeden auf die persönliche Verantwortung.
In dem Buch An was glauben die Damanhurianer wird erklärt: „Jeder Mensch ist für seine Gedanken und Taten selbst verantwortlich. Wir sind immer verantwortlich für uns selbst, wir sollten lernen, es zu sein. Es gibt niemanden außer uns selbst, der die Verantwortung für unsere Handlungen übernimmt: Es gibt keinen allmächtigen Gott, der das Leben jedes Wesens vorherbestimmt, es gibt keine Vorsehung, die uns bei der Hand nimmt und nicht einmal einen Guru, der uns sagt, was wir machen sollen.“
Und die persönliche Verantwortung?
„Verantwortung bedeutet auch Wahl.“ Nach Meinung der Damanhurianer ist die Wahrheit ein Kristall mit tausenden Facetten, die alle wahr sind. Alle Wege können zum Wissen und zum Bewusstsein führen, wenn sie mit Konstanz und Kohärenz in die Praxis umgesetzt werden.
Als erster Schritt ist es wichtig, den Weg zu wählen, den man gehen möchte. Um sich der Wahrheit zu nähern, muss man eine Facette des Kristalls auswählen, von der aus man dann den Kristall als Ganzes betrachten und beobachten kann, was in seinem Inneren ist. Vom Inneren kann man dann auch alle anderen Facetten sehen. Wählen ist fundamental, es ist unser erster Schritt in Richtung Bewusstsein.
Ein feiner aber entscheidender Unterschied…
Ein spiritueller Weg, der besagt, dass jeder Weg der richtige sein kann, wenn er mit Kohärenz und verantwortungsbewusst gegangen wird, kann keine Religion sein! Der Weg, für den Damanhur steht, wird Tag für Tag über unsere Beziehung mit uns selbst und den anderen geschaffen. Es gibt auch unverzichtbare rituelle Verabredungen – wie bei den Religionen! – das liegt daran, dass das Universum selbst auf präzisen Gesetzen beruht, die wie Türangeln sind, auf denen sich die Tür dreht, die uns zu neuen Dimensionen führt. Die Reise in diese Dimensionen bringt uns kontinuierlich neue Entdeckungen, und die Erfahrung jedes Einzelnen ist gleichzeitig für alle anderen sowohl unwiederholbar als auch bereichernd.