Maya und Wirklichkeit

SPIRITUALITÄT IN DAMANHUR
Die Beziehung zwischen Wirklichkeit und Maya, zwischen Realität und Illusion, betrifft die Essenz der Spiritualität. Aber was ist Spiritualität? Sie ist das, was über den materiellen Aspekt der Dinge hinausgeht, was uns mit unserem menschlichsten Teil in Verbindung hält, sie ist eine positive Einstellung andern und dem Leben gegenüber, sie ist die kohärente Teilnahme an einem religiösen Weg, sie ist das Bestreben sich selbst zu verbessern und die Fähigkeit sich Fragen zu stellen…
Gurus, Yogis und spirituelle Meister geben ihr auch sehr selten eine jeweils einzigartige und unveränderliche Definition während der Zeit ihres Lehrens, denn es ist auch eine Charakteristik der Spiritualität von formbarem, wandelbarem Wesen zu sein, in ständiger Selbsterneuerung.
Für Falco Tarassaco ist Spiritualität vor allem anderen die Fähigkeit, den Dingen und Geschehnissen eine Bedeutung zu geben. Weder das Universum, noch das Leben sind das Ergebnis eines Zufalls, und den Ereignissen um uns herum eine Bedeutung zuzuschreiben, ist der erste Schritt auf einem spirituellen Weg.
Darüber hinaus geht es nicht darum, an irgendetwas zu glauben oder Rituale zu machen oder in Stille zu meditieren. Was wirklich wichtig ist, ist das Verständnis davon, dass wir innerhalb einer umfassenden Ordnung leben, in der jeder und alles wichtig ist, inmitten anderer wichtiger Dinge. Damanhur ist einfach eine Art, spirituell zu sein, wobei es aber viele verschiedene Arten gibt, spirituell zu sein.
Realität versus Illusion
Alle Definitionen von Spiritualität basieren jedoch irgendwie auf einer Unterscheidung zwischen Realität und Illusion. Realität ist das, was wichtig ist, was einen Wert hat, der über dieses Leben hinausgeht, etwas, das unser Bewusstsein transformieren kann. Illusion ist all das, was einen kurzlebigen Wert hat und dazu bestimmt ist, zu verschwinden, sobald wir es konsumiert haben. Unsere Taten, unsere Erfahrungen, unsere tiefen Gefühle sind reell, während Erfolg und der Besitz von Geld, die Befriedigung unserer materiellen Wünsche also, reine Illusion ist.
Von einem anderen Gesichtspunkt aus gesehen, könnte man den Unterschied auch so definieren: Reell ist all das, was dich nach dem Tod in das Jenseits begleitet, der Schatz an Erfahrungen also, die du gesammelt hast und durch die aus dem gerade vergangenen Leben eine wirklich kostbare Erfahrung wird. Illusorisch hingegen ist all das, was dir „einfach nur“ passiert ist, also das, was dir geschehen ist, was dich Sensationen hat leben lassen, was du aber nicht in den Tod hast mitnehmen können. Vom Standpunkt der Spiritualität aus gesehen ist all das reell, was es dir ermöglicht, die gerade beschriebene Definition zu verwirklichen, während die Illusion, obwohl sie von anderen Gesichtspunkten her wichtig ist, nichts damit zu tun hat.
Also, alles einfach. ☺
Gut oder schlecht?
Aber kommt es euch nicht so vor, dass eine solche Definition, wörtlich genommen, unausweichlich dazu tendiert, zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden?
Meditation, Solidarität, Mitgefühl, Mut, Selbstlosigkeit und Forschung sind sicherlich wichtig und sind Teil der reellen, der spirituellen Sphäre.
Weshalb nun sollten wir annehmen, dass andere Dinge, wie Geld, Vergnügen oder Macht unheilbar als Illusionen „zu verurteilen“ sind?
Und was ist mit Gesundheit, Freundschaft und Ambitionen, die tendenziell unsere innere Freiheit sowohl zu begünstigen, als auch zu reduzieren scheinen? Zu welcher der zwei Sphären gehören sie?
Alles reell machen
Es stimmt, dass all das, was dazu bestimmt ist, sich zu verflüchtigen, Illusion ist: all unsere Energie in den Besitz von etwas zu stecken, das nur unsere Sinne, aber nicht unsere Seele nährt, ist letztendlich eine große Täuschung. Zu lernen, wie man den Dingen Bedeutung gibt, also spirituell zu werden, meint aber auch, dass man fähig wird, so gut wie allen Dingen Bedeutung zu geben, und genau dadurch kann sich dann das, was augenscheinlich Maya, also pure Illusion ist, in einen zutiefst realen Wert verwandeln.
Die damanhurianische Philosophie lädt dazu ein, alles mit Intensität, Meditation und Respekt zu leben. Alles kann wahrgenommen und ausgedrückt, mit Anteilnahme und Achtsamkeit gelebt werden, ohne daran festhalten zu wollen, und alles kann sich von Illusion in Realität transformieren. Im Leben gibt es nichts, was nur wichtig oder nur banal ist, sondern nur das, was wir zu veredeln wissen, oder das mit wenig Aufmerksamkeit Gelebte. Spiritualität – hier haben wir dann noch eine andere Definition – ist also die Kunst, das, was wir leben, real zu machen.
Diese Botschaft ist so wesentlich und hilfreich, löst bzw. überbrückt und transzendiert sie doch das vermeintliche Dilemma zwischen Geist und Materie, Ordnung und Chaos, Spirtuellem und Alltäglichem … und das ganz konkret in unserem Leben. DANKE!