Portraits außergewöhnlicher Menschen: Alces Mut

ERFAHRUNGSAUSTAUSCH
Außerordentlich zu sein, bedeutet, dass man fähig ist, andere so zu beeinflussen, dass ihre besten Seiten zum Vorschein kommen. Alce hat dieses Talent…
Alce Glicine berichtet von seinen Überlegungen zu den Themen Krankheit und Unwohlsein und betrachtet sie als Gelegenheit, mit dem inneren Gral in Kontakt zu treten.
Der Gral, wie Falco Tarassaco ihn auslegte, hat tausend Gesichter. Falco zufolge ist es eine Kraft, die heute – nachdem sie als Symbol den Kelch und davor Speer und Schild hatte – ihre Nähe durch Unwohlsein und Krankheit signalisiert. Ich selbst habe Mühe, diese Präsenz anzunehmen, nachdem ich schon seit einem Dutzend Jahre mit Multipler Sklerose ringe, aber das lässt in mir auch verstärkt das Gefühl der Herausforderung und des Wettspiels aufkommen, vielleicht auch weil ich ein Sportler bin!
Ich lebe seit 2004 in Damanhur, komme aus Venetien im Nordosten Italiens und bin 42 Jahre alt. Ich bin ausgebildeter Lehrer für zahlreiche Sportarten, und bin auch selbst Athlet gewesen. Ich war schon immer in den Bereichen Sport, Schwimmen, Basketball, Spiele allgemein, körperliche Bewegung tätig – oft auch als Trainer von Jugendlichen und Kindern.
Als ich eines Tages meine Eltern besuchte, habe ich just beim Basketballspielen mit ein paar alten Freunden festgestellt, dass ich den Ball nicht mehr fangen konnte. Wie war das möglich? Den Ball zu fangen und in den Korb zu werfen, war etwas ganz Einfaches und Natürliches für mich und ich hatte es mein ganzes Leben lang getan.
Zuerst schrieb ich meine Misserfolge der Müdigkeit zu, aber bald hatte ich einen unverschuldeten Autounfall, und während meines Krankenhausaufenthaltes kam folgendes Gesamtbild ans Tageslicht: mein Immunsystem griff mein Nervensystem an und behinderte insbesondere meine Sicht und mein Gleichgewicht beim Gehen.
Du bist nie allein
Solange ich konnte, setzte ich mein Leben wie gewohnt fort. Doch irgendwann musste ich meine Strategie ändern. Da begann für mich ein neues Leben, in dem ich mich weiterhin um die internen Spiele – die Horusiaden – und die Mutproben der Heranwachsenden in Damanhur gekümmert habe. Dabei musste ich jedoch viele meiner Werte verändern.
Für einen Sportler wie mich war eine Krankheit, die Dynamik, Kraft und Koordination beeinträchtigt, zunächst sehr schwer zu akzeptieren, obwohl meine Geschwister in Damanhur mir halfen, sie durchzustehen. Dann, so nach und nach, als ob ich eine verborgene Seite des Lebens entdecken würde, begann ich, Ordnung in meinen Emotionen zu schaffen und dabei neue zu entdecken. Hätte ich sie auch ohne Krankheit entdeckt? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich sie auf diese Weise kennengelernt habe.
Die erste wichtige Entdeckung war zu erkennen, dass ich nie allein war.
Ich erinnere mich, dass, als ich nach dem Unfall im Krankenhaus in Ivrea lag, während mein Krankheitsbild geklärt wurde, das Personal und meine Mitpatienten mich fragten: „Sag mal, in welcher Firma bist du denn der Geschäftsführer?“. Der Grund dafür war, dass ich Besuche, Nachrichten, Anrufe von so vielen Freunden, Freiwilligen des Roten Kreuzes (dort war ich auch tätig) und Damanhurianern erhielt, dass die Leute dachten, ich wäre ein wichtiger Geschäftsmann. Für mich war es eine bewegende Erfahrung, so viel Aufmerksamkeit zu erhalten.
Erzählen und Zuhören
Mit der Zeit lernte ich eine neue Vision des Lebens und von mir selbst kennen. Ich versuche, immer in Bewegung zu sein, aber ich habe auch gelernt nachzudenken und mit einem Vergnügen zu studieren, das ich vorher nicht gekannt habe. Ich habe die Schule für spirituelle Heilung an der Damanhur University besucht und möchte nun, ermutigt durch Freunde des Vereins „Nuova Specie“, die ich während der Woche ihres Kurses in Damannhur Crea kennengelernt habe, das Studium der „Gestalt“ vertiefen, um die Arbeit der Selbstkenntnis fortzusetzen.
Der Wert des Unwohlseins liegt auch darin, anderen die eigene Geschichte zu erzählen und ihnen zuzuhören, wenn sie über ihre eigene sprechen: ich hätte nie gedacht, dass es so bereichernd sein könnte, die Geschichte der eigenen Erfahrungen mit anderen zu teilen. Und du entdeckst in den anderen Teile von dir selbst, die du sonst ignorieren würdest.
Falco sagte, dass der Wert der Krankheit darin besteht, die persönliche Entwicklung zu ermöglichen, wenn wir akzeptieren, sie als Gral zu betrachten, der uns in Kontakt mit stärkeren Energien bringt. Ich fühle, dass es mich zur Vertiefung neuer Dinge führt, zu Aspekten des Lebens, meiner selbst, anderer, die ich bisher nicht bedacht hatte: Es ist ein Gedanke, den ich verinnerlicht habe, es ist ein Erforschen.